Domaine Louis Claude Desvignes, Morgon
- Laurenz Möseler
- vor 11 Minuten
- 6 Min. Lesezeit
Villié-Morgon, Beaujolais

Die Geschwister Claude-Emmanuelle und Louis-Benoît machen Wein im Beaujolais in nun achter Generation. Claude-Emmanuelle übernahm die Regie des Weinguts in 2002, ihr Bruder Louis-Benôit stoß bald darauf als Quereinsteiger dazu. Wenn man mit Nachname “von den Reben” heißt, muss man’s eigentlich durchziehen. Papa Louis-Claude hat hier auch frech in die Zukunft geplant, indem er beiden seiner Kinder einen Teil seines Namens - und damit den des Weinguts - in die Wiege legte. Auf 13 Hektar arbeiten die beiden heute überzeugt biologisch, auf alten (ein paar der ältesten?) Reben des Morgon, im Zentrum des Beaujolais, im südlichen Burgund.
Hier dreht sich alles um Gamay noir. Die Rebsorte, eine natürliche Kreuzung aus Pinot und Heunisch (shoutout Heunisch&Erben!) hat Wurzeln im Burgund, die bis ins Mittelalter zurückgehen. Dort ist ihre Geschichte eine sehr komplizierte. Stichwort Verordnung von 1395. Herzog von Burgund, Philip der Kühne, erwähnt die Rebsorte hier schriftlich zum ersten Mal: Die neuerdings in die Côte d’Or eindringe “Gameez” gelte als verräterische Rebe minderer Qualität, mit zu hoher Produktion, sogar gesundheitsgefährend soll sie sein. In Wirklichkeit machte man sich wohl eher Sorgen um die Relevanz des Pinot Noir, dem Statussymbol der Region, welches schon damals hochangesehene Weine produzierte, teils aber Rebfläche an den Gamay verlor, der schon jung unkomplizierten Trinkfluss bot. Eine Maßnahme für die Stabilisierung des Weinmarktes also, der im Burgund bereits damals oberste Priorität hatte. Historiker deuten aber auch auf einen Akt der Stärkung des Herzogs als politische Autorität, hier auf Kosten der Weinbauern. Jedenfalls konzentrierte sich hiernach die Rebfläche des Gamay noch mehr im südlich angrenzenden Beaujolais - deren Granitböden sich allerdings auch weitaus besser für die Rebe eignen als die Mergelböden des Nordens!
Die damaligen Anschuldigungen gegen Gamay lesen sich heute bizzar, sind aber nicht gänzlich unverständlich. Aktuell wieder leidet die Rebsorte unter einem Ruf als jung zu trinkenden, fruchtopulenten, teils überindustrialisierten Produkt. Stichwort Beaujolais Nouveau. Hier wird der Traube durch Kohlensäurgärung, oder maceration carbonique, ein Maximum an Aromatik entzogen. Dieses Spaßgetränk hat sich erst auf dem französischen, dann auf dem internationalen Markt derart etabliert dass, selbstverständlich, eine massive industrielle Produktion, mit höchstmöglichem Ertrag, schnellster Produktion und niedrigstem Preis folgte.
Dass dieser Ruf nicht der Gesamtheit der Region, ja nicht einmal der Gesamtheit der produzierten Beaujolais Nouveaus gerecht wird, sollte klar sein. Tatsächlich beobachten wir heute einen späten, aber doch kommenden Boom in der Beliebtheit eines ganz besonderen Weines... dem Beaujolais Cru. Das Beaujolais verfügt, nicht unähnlich dem Burgund, über 10 größere Crus, die sich auf zirka 6600 Hektar auf den für Gamay ideal geeigneten Granitböden des nördlichen Teils der Region konzentrieren. Hier wird, schon lange, mit höchsten Qualitätsansprüchen gearbeitet. Man hört nur wenig davon, neben dem Lärm des Burgunds. Aber Crus in Gemeinden wie Fleurie, Morgon und Moulin-à-Vent bieten uns Trinkvergnügen mit Spannung und Reifepotenzial, alles für einen Bruchteil der Preise des Burgunds. Viele Weingüter der Côte d'Or expandieren aktuell gen Süden, kaufen hier Lagen oder Trauben auf, wollen mitmischen.
Zum Glück machen die Desvignes in Morgon schon seit dem Jahr 1712 Wein und müssen sich nicht um Expansion sorgen. Sie sind mit ihren 13 Hektar sehr zufrieden, können jede Anlage händisch bearbeiten und im kleinen Team vinifizieren. Falls sich aber, wie beim “Aux Pierres”, ein spannender kleiner, alter Garten anbietet, können die Geschwister verständlicherweise nicht nein sagen...
Entre excellence et singularité.
Morgon “La Voute St. Vincent” 2023
Der Hauswein der Domaine, “La Voûte St. Vincent” ist ein Parzellenverschnitt innerhalb des Climats (Lage) Douby an der nördlichen Grenze von Morgon, nahe an Fleurie und Chiroubles. Auf 4,5 Hektar stehen hier 45-jährige Reben auf den typischen sandigen, verwitterten Granitböden des nördlichen Morgons. Biologisch bewirtschaftet und händisch bearbeitet. Der Name des Weines basiert auf dem “Voûte”, dem alten Gewölbe des Weinguts, gewidmet dem historischen Schutzpatron der Winzer:innen, Sankt Vinzenz.
Im Keller erfolgt Traditionsarbeit. Die Hälfte des Lesematerials wird entrappt und dann klassisch, spontan auf der Maische vergoren. Nach Abschluß der 10-tägigen Gärung kommt der Jungwein für neun Monate in Betontanks. Bei der Abfüllung wird leicht filtriert.
Eine Nase voller roter Beeren, belebend, elegant. Am Gaumen angenehm ausgewogen, zeigt sich der Hauswein bereits rund, offen, doch tiefsinnig, animiert sogleich zum Nachdenken wie zum nächsten Schluck. Das ist schon ein brillianter Vertreter seiner Appellation und Lage.
Morgon “Château Gaillard” 2023
Wir befinden uns im nordöstlichsten Climat Morgons, direkt an Fleurie angrenzend. Die Desvignes haben da, im Château Gaillard, nur 1,03 Hektar Reben. Dabei handelt es sich allerdings um außergewöhnliches Material: Ausgesetzt in 1920 und aufgestockt in 1950 wächst hier uralter Gamay tief in den karg sandigen, verwitterten Granit. Dieser empflindliche Weingarten wird, mit Ausname der Pflügung mit dem Weinbergstraktor, ausschließlich händisch bearbeitet.
Wie bei allen Weinen von Desvignes reine Handlese, nur 10% des Lesegutes wird entrappt, der Rest als Ganztrauben verarbeitet. Nach 10-tägiger Maischegärung reift der Jungwein 7 Monate im Betontank. Bei der Abfüllung leicht filtriert.
Ein Lagenwein mit beachtlichem Trinkfluss bereits in der Jugend. Durch den Betontank angenehm offen, ohne aromatisch verfälscht zu sein (wie bei Holz gerade in der Jugend oft noch der Fall). Gamay bringt hier eine raffiniert feine Tanninstruktur mit, gepaart mit einem präzisen Säurebogen. Geschmacklich viel frische Beeren, etwas blumiges, alles in allem schon durchaus dicht und lang anhaltend, zugleich delikat, ruhig, geduldig.
Morgon “Montpelain” 2023
Ein weiteres Climat im Nordosten Morgons, südlich vom Château Gaillard, getrennt durch den Douby-Fluss, der zwischen den beiden verläuft. Auch hier im Montpelain sind die Reben über 80 Jahre alt. Sie dringen tief in lehmigeren Sandboden und bedienen sich der Mineralstoffe in den Unterböden. Diese Parzellenabfüllung gibt es erst seit 2017, wo ein fieser Hagel nur die hierigen Trauben verschont hatte, was eine gesonderte Abfüllung erzwang - das Resultat war so spannend, dass die Montpelain seither jedes Jahr gesondert vinifiziert wird.
Dieser Parzellenwein zeigt sich durchaus dunkler als der Chateau Gaillard, mit schwarzen Beeren, Zwetschke und einer rauchigen Graphit Note. Am Gaumen wieder diese Saftigkeit, gepaart mit seriöser Struktur, gute Länge, wirklich ein Spiegelbild seines Terroirs, ein Aushängeschild für Gamay par excellence.
Die Vinifikation erfolgt bei den Climat-Abfüllungen Gaillard und Montpelain identisch, somit wird auch hier größtenteils mit Ganztrauben gearbeitet. Der Jungwein reift 7 Monate im Betontank und wird bei der Abfüllung nur leicht filtriert.
Morgon Javernieres “Aux Pierres” 2023
Der „Aux Pierres“ ist ein Neuling im Sortiment, mit der Übernahme einer 0,57 Hektar kleinen Parzelle hundertjähriger Reben im östlichen Côte du Py, also im Javernieres. Der Name der ohnehin winzigen Parzelle, zu deutsch ”von den Steinen”, gibt uns schon ein Gefühl über den resultieren Wein. In 1925 ausgepflanzte Reben, 2025 also hundertjährig(!), wachsen hier auf karg-mineralischen Vulkangesteinsböden, durchlaufen von Schiefer und hohen Anteilen an Eisenoxid und Mangan, Mineralien die den Pflanzenwachstum unterstützen. Ein faszinierendes Terroir also, welches diese Parzelle seit langem für großes Potenzial auszeichnet - mitunter das größte in Morgon.
Die von Hand gelesenen, minimalen Erträge werden als Ganztrauben verarbeitet. Nach 10-tägiger Maischegärung im Bottich wird in ein 3000l-Betonei abgefüllt, wo der Jungwein 10 Monate reift. Bei der Abfüllung wird leicht filtriert.
Desvignes haben aus dieser neuen Parzelle bereits ihren eigenen Stil erschaffen, einen Gamay mit imposanter Dichte, tief, mit ausgeprägter Struktur, getragen von schwarzen Beerennoten und einer fast salzigen, “mineralischen” Frische. Großes Burgund, eigentlich.
Morgon Javernieres “Les Impenitents” 2023
Das Meisterstück von Desvignes, ein emotionaler Wein, der die Geschichte der Region erzählt. “Die Unentwegten”, eine Hommage an Louis Claude Senoir, der sich, gemeinsam mit anderen Topwinzern der Region, unermüdlich für die Entwicklung des Cru-Systems im Beaujolais einsetzte. Seine Überzeugung für die Gamay-Rebe als ebenbürtig zum Pinot Noir teilte schon Großvater Louis-Gabriel, der sich schon um diese um 1912 ausgepflanzte Anlage kümmerte. Eine hundertundzehnjährige Gamay-Anlage also - hören wir nicht alle Tage.
Diese steht auf 0,8 Hektar direkt am Fuß des Py-Hügels, im Javernières. Eine tiefe Lehmschicht mit hohem Eisenoxid-Vorkommen versorgt die historischen Reben mit genügend Nährstoffen und Mineralien. Biologischer Weinbau, viel Handarbeit. Der resultierende geringe Ertrag der uralten Pflanzen ist extrem konzentriert.
Die Vinifikation erfolgt hier ähnlich wie sonst bei Desvignes. Größtenteils Ganztrauben, traditionelle Maischegärung, etwa zwei Wochen. Danach Umfüllung in den Betontank, wo der Wein bis zur nächsten Lese auf der Hefe heranreift.
Dicht und tief, extraktreich und schlank zugleich. Aromatisch dunkler, aber null gekocht, nix marmeladig. Unterlegt von einer so belebenden Säure, hat dieser Wein ein Wahnsinns-Mundgefühl, das ist wie direkt am Fels knabbern. Ein extrem seriöser Saft eines wirklich historischen Weingartens. Reifepotenzial über Dekaden. Ein großer Dekanter und ein freier Terminplan tun’s aber auch.
